Klavierprogramm "Ausdruck von Empfindungen" Kathrin Isabelle Klein

4 Werke
120 Minuten
0 Musiker

Beschreibung

Das abwechslungsreiche Programm mit den Stücken von César Franck, Olivier Messiaen, Maurice Ravel und Franz Schubert wurde am 12. September 2015 im Rahmen des Theatersommers Idar-Oberstein gespielt. 

 

César Franck hatte - von außen betrachtet - kein besonders aufregendes Leben. Als Kind deutschsprachiger Eltern in Lüttich geboren hatte es sein Vater, selbst ohne geregeltes Einkommen, darauf angelegt, seine beiden Söhne zu Virtuosen erziehen zu lassen. Trotz hochklassigen Unterrichts und genügender Begabung schlug dieser Plan fehl und die beiden Brüder mussten den Lebensunterhalt für sich und ihre Eltern mit unzähligen Unterrichtsstunden in Paris verdienen. Zum Komponieren, der Herzensangelegenheit Franck's, fehlte es ihm an Zeit und Muße. 1858 wurde er Titularorganist an der Kirche Sainte-Clotilde in Paris, wo er sein Leben lang die Orgel spielte. Von diesem Instrument war er besonders begeistert und widmete ihm viele seiner Stücke, von denen die meisten erst gegen Ende seines Lebens entstanden. Aus ihnen spricht eine besondere Hingabe an die Musik selbst, völlig befreit von Äußerlichem und von der Hoffnung auf Ruhm, auf den er nie Wert legte.

Das Klaviertriptychon "Prélude, Choral et Fugue" entstand, als César Franck zunächst nur ein kleines Präludium im Stile Bachs schreiben wollte. Deshalb beginnt das Stück auch wie in älterer Zeit mit Zweiunddreißigsteln, die zum Einspielen und Einhören gedacht waren. Diese Bewegung reißt aber immer wieder ab und enthüllt in klagender Form dargebrachte Vorgriffe auf die Fuge. Aus dem abflauenden Präludium heraus taucht der Choral auf, der zunächst mit an Orgelklang erinnernden Akkorden eingeführt wird, bis er selbst, nun wie die Arpeggii einer Harfe, erklingt. In der anschließenden sehr chromatischen Fuge werden Präludium, Choral und Fugenthema am Ende zum Höhepunkt vereint. 

 

 

Vögel hatten es dem Komponisten Olivier Messiaen schon immer angetan. Ihre Stimmen finden sich in vielen seiner Kompositionen. Im Besonderen aber ist ihnen der Klavierzyklus "Catalogue d'oiseaux" gewidmet. Zu jedem "Solisten" beschreibt Messiaen in Stichworten die Umgebung und die Abfolge der Vogelgesänge, bei der "Alouette calandrelle", der Kurzzehenlerche (calandrella brachydactyla) wie folgt:

"Provence, im Monat Juli: die Kurzzehenlerche. Zwei Uhr am Nachmittag, Les Baux, die Alpillen, öde Felsen, Ginster und Zypressen. Monotone Perkussion der Zikaden, Stakkato-Signal des Turmfalken. Die Straße nach Entressen: Die Haubenlerche im zweistimmigen Kontrapunkt mit der Kurzzehenlerche. Vier Uhr nachmittags, in La Crau. Kieswüste, intensives Licht, brütende Hitze. Nur das kleine, kurze Motiv der Kurzzehenlerche belebt die Stille. Gegen sechs Uhr abends erhebt sich eine Feldlerche in den Himmel und stößt eine jubilierende Strophe aus. Der Kretikus [antikes Versmaß] der Wachtel, Erinnerung an die Kurzzehenlerche..."

Die im Stück vorkommenden „Sänger“ sind also die Kurzzehenlerche, die Zikaden, der Turmfalke, die Wachtel, die Haubenlerche und die Feldlerche. Mag ansonsten nur der Ornitholge die verschiedenen Lerchenarten am Gesang erkennen, so erschließen sich dem Zuhörer vielleicht doch die anderen Vögel.

Bei Messiaens "Catalogue d'oiseaux" handelt es sich im diametralen Gegensatz zu Beethovens 6. Symphonie "Pastorale" mehr um "Malerei" als um den "Ausdruck von Empfindungen". Es geht um eine unpersönliche Naturlyrik; die einzelnen Elemente werden bruchstückhaft vorgestellt, womit Messiaen eine ganz erstaunliche, wenn auch idealisierte  Authentizität erreicht.

 

 

1904 – als noch nicht Dreißigjähriger - lebte Maurice Ravel in Paris, war aus dem berühmten Conservatoire ausgeschlossen worden und hatte sich schon viermal in Folge vergeblich um den begehrten Kompositionspreis "Prix de Rome" beworben.

Bei seinen Freunden, der Gruppe "Apachen", fand er Rückhalt. Bei einem dieser Treffen geschah es auch, dass Ricardo Viñes, ein spanischer Pianist und damals Uraufführender vieler Pariser Komponisten, Ravel vom neuesten Stück Debussys berichtete, "D'un cahier d'esquisses", das in seiner Form außergewöhnlich frei sei. Ravel machte sich daraufhin seinerseits an die Arbeit und es entstanden bis 1905 fünf Klavierstücke, die er unter dem Namen "Miroirs" zusammenfasste und jedes einzelne einem seiner Freunde aus den "Apachen" widmete. Er selbst bezeichnete seine neuartige "Harmonik als erheblichen Wandel, so dass selbst diejenigen Musiker aus der Fassung gebracht wurden, die bis dahin am stärksten mit meiner Kompositionsweise vertraut waren."

Die Stücke sind alle einzeln aufführbar, doch die Reihenfolge im Druck, die nicht der chronologischen Entstehung entspricht, ermöglicht die Aufführung als Zyklus, denn die Stücke wurden abwechslungsreich vom innovativsten bis zum traditionellsten angeordnet.

Der Titel "Miroirs" bedeutet auf Deutsch so viel wie "Spiegelbilder".  Doch blickt man bei Ravel oft nicht in einen ganz normalen, sondern irgendwie beschlagenen oder verzerrenden Spiegel.

"Noctuelles" kann auf Deutsch "Nachtfalter", "Eulen" oder auch "Nächtlicher Spuk" bedeuten. Gerade in diesem Stück ist die Harmonik Ravels am innovativsten, die Atmosphäre in unheimliches Licht getaucht. Ganz gegensätzlich das darauffolgende "Oiseaux tristes", über das Ravel selbst schreibt: "Vögel, die während der heißesten Stunden des Sommers im sehr dunklen Wald in Dämmerschlaf gefallen sind". Ganz im Gegensatz zu Messiaens (später komponierten!) Vogelgesängen bringen Ravels Vögel hier nur einzelne Laute hervor. Eine feuchte Abkühlung bringt "Une barque sur l'océan" mit sich, die bald auf dem stürmischen Meer hin und her schwankt, bald ohne ein Lüftchen auf der glatten Meeresoberfläche liegt.

"Alborada del gracioso" bedeutet wörtlich "Morgenständchen eines Narren", doch eine ausgelassene Stimmung mag auch in diesem Stück nicht aufkommen. Ravel bedient hier viele Klischees der spanischen Musik, ahmt Gitarren-Arpeggii und das schnelle Klappern der castañuelas nach. Das "Tal der Glocken", in Nebel gehüllt, beschließt den Zyklus.

 

 

Die Sonate A-Dur D 959 ist die mittlere der drei letzten Klaviersonaten Franz Schuberts, die er als einunddreißigjähriger in seinem Todesjahr 1828 schrieb, die aber erst zehn Jahre später veröffentlicht wurden.

Wie jede dieser drei Sonaten hat auch die A-Dur-Sonate gewaltige Ausmaße. Ihr erster Satz beginnt rhythmisch sehr ähnlich der vorausgehenden c-Moll-Sonate. Im Gegensatz zu deren Kopfsatz stellt sich dieser jedoch viel lieblicher dar, wenngleich man das Gefühl hat, dass das Schöne aus einer gewissen Distanz heraus betrachtet wird. Bemerkenswert ist besonders die Coda dieses Satzes, die im pianissimo noch einmal das erste Thema aufgreift, aber schon wie etwas Entrücktes, Vergangenes betrachtet. Auf die letzte Sonate Schuberts verweist schon der unvermutete Einschub eines gebrochenen Dreiklangs in B-Dur.

Der zweite Satz „Andantino“ steht in fis-Moll und zählt sicher zum Melancholischsten, was Schubert komponiert hat. Sein Mittelteil enthält einen stürmischen Ausbruch, wie man ihn so nicht erwartet. Nachdem der Satz zum Thema zurückgefunden hat, endet er resigniert in einem anhaltenden decrescendo, das bis zum ppp reicht, eine damals noch unübliche Bezeichnung.

Im dritten Satz findet sich neben aller Heiterkeit auch ein unvermittelt hereinbrechender cis-Moll-Lauf, der auf den 2. Satz rekurriert.

Im Rondo, das die Sonate beschließt, setzt kurz nach Beginn eine Triolenbewegung ein, die nicht mehr beigelegt wird, bis sie viel später vor dem vierten Auftritt des Rondo-Themas abbricht und alle aufatmen lässt. Das Rondo-Thema erscheint nun nur noch bruchstückhaft, als könne man sich des Wortlauts nicht mehr genau entsinnen.

Die Coda (Presto) verleiht dieser wunderbaren Sonate einen zwar nicht ungetrübten, aber dennoch glanzvollen Abschluss.


Ablauf

01
César Franck
Prélude, Chorale et Fugue (1884)
02
Olivier Messiaen
L'Alouette calandrelle
03
Maurice Ravel
Miroirs (1904/05)
Pause
04
Franz Schubert
Sonate A-Dur D 959 (1828)